Das Ausstellungsjahr 2025 im Benzeholz rückt die Arbeit im Kollektiv ins Zentrum. Anhand von drei Positionen werden unterschiedliche Formen von künstlerischer Zusammenarbeit behandelt. Den Anfang macht das Künstlerduo Lipp&Leuthold. Ihre Schaffensweise ist stark vom Dialog geprägt. Darin verhandeln sie das gemeinsame Vorgehen mit Acryl auf Leinwand, loten die Grenzen der Malerei aus und hinterfragen deren Präsentation und Wahrnehmung.
Zu Beginn weg spielte die Architektur des Hauses in die Herangehensweise der Künstler mit ein: Während Lipp&Leuthold oft mit Grossformaten arbeiten, sind die gegebenen Räume nur bedingt hoch. Im Dachstock befindet sich gar eine Schräge, welche der klassischen Hängung von Bildern entgegensteht. Darauffolgend begaben sich Lipp&Leuthold auf die Suche nach Möglichkeiten, um mit produktiver Neugierde auf die Situation zu reagieren und fragten danach, wie ihr eigener Umgang mit Grossformaten in einem Ort wie das Benzeholz sinnlich erfahrbar gemacht werden kann. Es entwickelte sich ein ständiges Aushandeln konzeptueller und malerischer Prozesse sowie die Suche nach einem Gleichgewicht.
Wie kann mit Räumlichkeiten umgegangen werden, wenn diese nicht in erster Linie dazu einladen Bestehendes zu zeigen? Was überhaupt gilt als Ausstellungsfläche und wo kann diese gesprengt werden? Wie lässt sich das Vermeintliche hinter den Bedingungen erkunden? Was wiederum funktioniert als Malerei? Wann und wo entsteht Spannung auf der Leinwand? Welche Formate unterstützen die Idee und welche deren Rezeption? Diente das Konzept den Künstlern als Ausgangspunkt, um den gewohnten Malvorgang zu durchbrechen, so führte das Malen selbst sie auch immer wieder zurück in den Prozess der Aushandlung.
Mit dem Titel «Flat Earth I» im Erdgeschoss werden die Besuchenden von einem langezogen Gemälde begrüsst, welche die Dimension der Wandfläche weiterzuführen scheint. Dessen Hängung nahe an der oberen rechten Ecke mag vielleicht irritieren. Wurde das Bild abgeschnitten? Geht es im ersten Stock weiter? Der Aspekt der scharfen Kante präsentiert sich auch im ersten Stockwerk. Mit «Flat Earth ll» ist ein Querformat zu sehen, das sich über die ganze Raumhöhe erstreckt. Zu seiner Dimension verhelfen zwei unterschiedliche Bildflächen. Von einer klaren Linie getrennt, schaffen die einzelnen Formate wiederum Bezüge zu den weiteren Arbeiten im Raum. Im Dachstock spielt die ausgesparte Wandfläche über «Flat Earth lV» schliesslich mit der Idee eines abschliessenden Rahmens, der die Betrachtenden wieder nach unten führt. Die, über alle drei Stockwerke angedachte Installation zeugt somit von der intensiven Auseinandersetzung der Künstler mit ungewohnten Dimensionen und Hängungen.
Punktuell sind kleine Figuren mit grossen und weitaufgerissenen Augen in Form von silbernen Reliefs zu erkennen. Sie scheinen in Bewegung zu sein, treten hinter Mauern hervor oder blicken neugierig über ihre Schultern in den Raum hinein. In ihrer Haptik wirken sie futuristisch - wie kleine Aliens tauchen sie auf und bleiben dennoch schwer greifbar. Als Figuren verweisen sie auf die Bildsprache von vorhergehenden Zeichnungen von Lipp&Leuthold. Im Benzeholz mögen sie wiederum als Bindeglied verstanden werden: Noch während sie mit uns zu interagieren scheinen, evozieren die Bildwelten mögliche Landschaften (von flachen Erdansichten), in denen sich die Figuren hinein- und hinausbewegen und damit mögliche Narrative entstehen lassen.
Der poetisch anmutenden Ausstellungstitel «The Only Way to Feed Me Fruits is a Cake» verweist auf das spielerische und humorvolle Element in Lipp&Leutholds Arbeitsweise. Der Titel kann sowohl metaphorisch wie wörtlich verstanden werden: Die Mischung von etwas so Diversem wie Früchte mit der ultimativen Ansage (es gibt nur einen Weg) erzeugt vorerst eine surreale Spannung. Stehen die Früchte im übertragenen Sinne jedoch für das „Früchtetragen“, sprechen sie auch für das Schöne, das nach einer intensiven Auseinandersetzung in Erscheinung tritt. Dass die reifen Früchte jedoch nicht pur gegessen werden, sondern weiter verarbeitet und in einem saftigen Dessert verpackt werden müssen, kann als Hinweis dafür gelesen werden, dass Lipp&Leuthold im prozessorientierten Arbeiten immer wieder neue Formen anstrebt.
Lipp&Leuthold besteht aus Paul Lipp (*1977 in Werthenstein) und Reto Leuthold (*1977 in Thun). In Einzelausstellungen wurden ihre Arbeiten u.a. 2022 in der Kali Gallery Luzern, 2021 im Kunstmuseum Luzern und im Haus der Kunst St. Joseph, Solothurn präsentiert. 2024 erhielten sie das Stipendium Atelier X der Albert Koechlin Stiftung, 2020 wurden sie mit dem Publikationspreis der Stadt Luzern ausgezeichnet. Das Duo lebt und arbeitet in Luzern.
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Text: Katrin Sperry
Fotos: Ralph Kühne