Jos Näpflin. Gestern ist Morgen

23.10.-21.11.2010

Das Benzeholz, zeigt eine monografische Ausstellung von Jos Näpflin (geb. 1950). Unter dem Titel „GESTERN IST MORGEN“ gibt der Künstler Einsichten in seine Arbeit und blickt hinter die Fassade des Vertrauten, wo sich das „Hier“ plötzlich ins „Dort“ verkehren kann und wo sich das Bekannte unverhofft als fremdartig erweist.

Auf den drei Stockwerken des Kunstraums spielt der Künstler mit vermeintlich fest gefügten Begriffen und stellt die Frage nach dem Standpunkt, der eine Wahrnehmung bestimmt. Jos Näpflin arbeitet dabei häufig mit dialektischen Bildern. Dass die Dinge, die wir sehen und feststellen, im Grunde nicht eindeutig sind und vielmehr in ständiger Bewegung, beschreibt eine Installation im Erdgeschoss auf unmittelbare Weise. Die Arbeit „Horizont“ (2010) besteht aus einer Wandmalerei, welche in Deckennähe die Silhouette eines Tannenwaldes abbildet. Die rote Farbe des Himmels simuliert einerseits einen Sonnenuntergang, verschmilzt das Bild des schattenhaften Waldes aber auch mit dem physikalisch präsenten Raum und wird zu einem doppeldeutigen Zeichen. Dies beschreibt einerseits den Charakter des Horizonts, der sich dem Wanderer mit jedem seiner Schritte einen Schritt weit entzieht, aber auch eine der Fotografie inne liegende Eigenschaft. Ist ein Foto doch neben dokumentarischem Zeugnis immer auch ein Verweis darauf, dass etwas nicht mehr da ist, wo es war, ein Doppelbild der An- und Abwesenheit. Was wir sehen, haben wir bereits verloren. Oder mit Näpflins Worten „GESTERN IST MORGEN“: die Zukunft ist schon vorbei, wenn wir sie erreicht haben.

„Systemoid: Konkret 90˚ gedreht“, 2010 (1. Stock) zeigt das fotografische Diptychon eines Baumes, einmal in stehender, einmal in waagrechter Position. Auf erster Ebene zeigt sich das gleiche Objekt, der gleiche Ort zu einer anderen Zeit. Auf der Ebene der Bedeutung vollzieht sich die Drehung um 90˚ auf radikale Weise. Waren es gar die Einritzspuren, Platzhalter für die Anwesenheit eines Liebespaares oder die Markierung eines Passierenden, welche im Akt des Festhaltens ihrer Flüchtigkeit ihr eigenes Schicksal besiegelten?

Die hellblaue Wand, auf der die Baumporträts platziert sind, ist auch Träger für die Arbeit „UNIVERSUM“, einen Haufen zusammengesetzter Begriffe, die Jos Näpflin der Zürcher Zeitung vom 10. September 2010 entnommen hat. Auseinander genommen und diagonal überkreuzt, kreieren die weissen Worte sich neu, setzen sich anders in Beziehung und rufen den Kontext, dem sie entnommen sind, in unser Gedächtnis. Welche Worte wir wann lesen, hat immer etwas mit den aktuellen Geschehnissen zu tun. Was wir benennen, ist im Blickfeld, das Ausserhalb jedoch, hält ähnlich wie das Weltenall, unzählige andere Möglichkeiten von Realität bereit.

Text: Katharina Dunst
Bilder: Ralph Kühne