Susanne Hofer. Overlook

20.05.-03.07.2022

In ihren Videoarbeiten kreiert Susanne Hofer Öffnungen zu anderen Welten, in denen Zeit und Raum keine Rolle mehr spielen. Irren und verwirren sind dabei ihre Leidenschaften. Im Benzeholz lässt die Künstlerin uns Besucher*innen in unterschiedliche Bildräume eintauchen, wobei über die Stockwerke hinweg eine Verdichtung stattfindet. Für einmal bleiben alle Fenster verschlossen und es entsteht eine klare Abgrenzung von innen und aussen. Das Betreten der Ausstellung gleicht dem Eintauchen in eine andere Sphäre, in der Realität und Fiktion sich vermischen.

Hören Sie das Vogelgezwitscher? Vielleicht glauben sie das sanft quietschende Geräusch eines sich öffnenden und wieder schliessenden Fensterflügels zu erahnen. In der Videoarbeit «Nordwest» (2022) reflektiert das Glas die abendliche Stimmung in gemäldehaft anmutender Optik. Doch wohin führt der Blick durch die fiktive Öffnung?

Auf der gegenüberliegenden Seite schauen auf eine Landschaft, wobei sowohl die Hochhäuser im Hintergrund wie auch das bräunlich verfärbte Wasser auf einen urbanen Raum verweisen. Doch auch in der Videoarbeit «Drift» (2022) scheint etwas nicht zu stimmen.
Unter dem Tresen entdecken wir eine sich durch den Sand schlängelnde Kreatur. Es ist ein Staubsauger, den Susanne Hofer im Video «Unterholz» (2019) zum Leben erweckt. Die Aufnahmen zu beiden Monitorarbeiten sind auf einer der Picnic Islands vor Miami entstanden, wo sich die Künstlerin 2018 im Rahmen eines Atelierstipendiums für drei Wochen aufgehalten hat.
So ist es die Idee des Trompe-l’œils, welche im Benzeholz zum Ausdruck kommt und womit Susanne Hofer gekonnt zu spielen weiss.

Susanne Hofer hat ein Flair für landschaftliche Randbezirke, für Zwischenräume und somit für geschichtsträchtige Orte, die viel Raum für eigene Vorstellungen lassen. Im ersten Obergeschoss treten wir in ein verlassenes Haus ein, das sogleich unsere Fantasie stimuliert: Wer hat hier gewohnt? Wohin führt der Weg? Der umhermäandernde Lichtpegel gibt jeweils nur einzelne Ausschnitte preis und der geheimnisvolle Titel verweist sowohl an übernatürliche Wesen wie auch an optische Täuschungen. Will uns das Licht in die Irre locken?

Auf dem Weg zum Dachstock passieren wir zwei fotografische Arbeiten. Sie zeigen starke Schattenwürfe, die Assoziationen zu architektonischen Gebilden wecken. So verweist die Künstlerin mit der Titelgebung «Verschattung» auch an die Wirkung von Kanten und Höhen von Gebäuden. Die Schattenspender selbst sind transparent, womit sie die Szenerie ins Surreale kippen lassen. Es handelt sich um Gegenstände, denen wir in der raumfüllenden Installation im Dachstock erneut begegnen werden.

Das oberste Stockwerk zeugt von einem traumhaften Moment. Der installativen Arbeit «flunkern» (2020) liegt ein kontemplativer Charakter zugrunde. Flimmernde Lichtreflexionen werden auf gebrauchte und transparente Plastikverpackungen projiziert, es entsteht ein Glitzern und Funkeln, das sich auf Wände und Decke des Raumes ausbreitet. Der bezirzende Anblick kontrastiert dabei mit dem Materialwert des Plastiks. Weiter erinnert er an die Reflexion der Sonne auf dem Wasser, wie wir es vom Bootssteg des ehemaligen Fischerdorfs vor dem Benzeholz her kennen. Verspielt erstreckt sich das Licht über die Wände bis hin zur Decke und bindet diese so in den immersiven Bildraum mit ein. An den Rändern der Bodeninstallation entlang gehend vermag die Arbeit eine verlockende Sogwirkung auszuüben.

Mit dem Ausstellungstitel «Overlook» - was im Deutschen mit dem Nomen «Übersicht» oder mit dem Verb «übersehen» übersetzt werden kann - nimmt Susanne Hofer Bezug zum Ort und der erhöhten Lage des Benzeholz selbst. Regelmässige Besucher*innen kennen den Blick auf die Seelandschaft, der sich bei schönem Wetter bis zum anderen Ufer hin erstreckt. Just beim Betreten des Ausstellungshauses wird der Doppeldeutigkeit des Wortes Rechnung getragen. So fordert die Ausstellung zur genauen Betrachtung auf und lotst uns gleichzeitig in einen Zustand der Übersichtslosigkeit.

Susanne Hofer (*1970 in Luzern, lebt und arbeitet in Zürich) studierte von 1990-1995 Kunst und Vermittlung an der Hochschule Luzern – Design & Kunst.

Seit über 20 Jahren arbeitet sie als freie Künstlerin im Bereich Video und Videoinstallation, zudem auch mit Fotografie und Objekten, und stellt im In- und Ausland aus. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien von Kunstförderstellen für Auslandaufenthalte und für Projekte. Sie unterrichtet projektbasiert an der Zürcher Hochschule der Künste, sowie an Mittelschulen. Sie ist Vorstandsmitglied des Vereins Kunsthaus Aussersihl und Mitorganisatorin des Projektraums Wall&Stage, beide in Zürich.

Text: Katrin Sperry
Bilder: Ralph Kühne

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